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Phantastische Triebe

Eine Blüte ist permanenter Veränderung ausgesetzt, wächst, sprießt, springt auf, blüht und verblüht. Das alles meist in unüberbietbarer Schönheit, berückend in den Farben. So sollte es auch unserer Fantasie gehen, wenn sie auf Blühendes trifft.

„Gleich bleibende Formulierungen zu durchbrechen und permanent zu verändern“, war eine der Maximen von Oswald Oberhuber. Der war nicht nur ein großer Ermöglicher, in dem er als Rektor der Universität für angewandte Kunst Größen wie Josef Beuys, Karl Lagerfeld, Jil Sander, Ettore Sottsass oder Daniel Spoerri nach Wien holte – und die Hochschule zum internationalen Strahlen brachte. Auch als Künstler lässt er sich kaum greifen, so vielgestaltig, permanent in Wandlung und doch in allem ungeheuer originär und eigenständig sind seine Zeichnungen und Gemälde. Etwa wenn er Pink auf grünem Grund zwischen etwas Blau, Rost und Weiß blühen lässt, in „Ohne Titel“ von 1950, Öl auf Hartfaser, 100 x 90 cm, bei der Galerie Czaak

Wer kennt sie nicht, die üppigen Stillleben der alten Meister, wie sie besonders in Holland höchst beliebt waren. Die Niederländerin Margriet Smulders hat sich der Tradition besonnen, wendet in ihrem Werk die Prinzipien der Malerei auf die Fotografie an, und interpretiert das Stillleben neu. Sie verdichtet das sinnliche Potenzial des Visuellen zu größter Intensität. Ihre Fotos sind akribische Inszenierungen, reale Arrangements ohne jede digitale Veränderung. Blumen und Früchte werden sorgfältig ausgewählt, Substanzen wie gefärbte Milch, Wasser oder Rauch kommen zum Einsatz. So entstehen surreale Traumlandschaften, zwischen pastoraler Lyrik und barockem Überschwang. Oft mit herrlich lichten Titeln wie „Shine on me“, 2018, als 120 x 189 cm großer Abzug bei der Galerie Reinisch Contemporary.

„Die Aufgabe eines Kunstwerkes ist es, unsere Wahrnehmung zu irritieren, um einen Ausstieg aus unseren Gewohnheiten zu bringen und um damit unser Bewusstsein und unsere Denkmöglichkeiten zu verändern“, heißt es bei der Galerie Ruberl zu einer Arbeit von Arnulf Rainer. Der Maler zeigt uns mit „Blumenstrauss“, Ölkreide auf Karton von 1964 seine ganz persönliche Sicht auf den traditionsreichen Topos Stillleben. Wie immer bei Rainer gibt es kein Kriterium für die Richtigkeit einer Interpretation. So kann sich jeder auf das kommunikative Spiele zwischen Abbild und Vorstellung einlassen, um sich sein eigenes Bild von diesem Blumenstrauß zu machen.

Imagination braucht Auslauf – Aal, Schlange, Hendel oder Hummer? Die Akademie der bildenden Künste wurde saniert, ihre Gemäldegalerie kann wieder besichtigt werden – und damit auch Wiens großer Hieronymus Bosch-Schatz, das Weltgerichts-Triptychon. Oder doch nicht? Zur streng kuratierten Eröffnungsschau bleibt er geschlossen, weil man dem Publikum statt Weltgericht lieber eine Schlange als angeblichen Aal auf den Rückseiten der Altarflügel verkaufen möchte. Große Kunst verträgt so viel Freiheit! Freiheit nimmt sich auch der vor Bosch’scher Fantasie nur so sprühende Zeitgenosse Micha Lobi. Er paraphrasiert humorvoll den Stil des geheimnisvollen alten phantastischen Realisten Bosch und setzt dessen skurriles Figuren-Vokabular zu neuen Wimmelbildern zusammen. Auf einer 2014 in Öl gemalten Holztafel, 29 x 34,5 cm entdeckt man etwa, wie ein Riesenhummer einen nackten Narren zwickt, oder ein gerupftes Hendl ganz schön nackt aus der Wäsche schaut. Kunsthandel Natalia Riedl

Drachen in der Weltenlandschaft: Zu den neueren, Phantastischen Realisten der Wiener Schule darf man Karl Hodina getrost zählen. Der ist nämlich nicht nur ein bekannter Meister im Bereich Volks- und Wienerlied, sondern er malt auch. In jenem Stil, der Arik Brauer, Ernst Fuchs und Kollegen berühmt gemacht hat. Wie sie, überhöht auch Hodina die Kunst der Alten Meister surreal, wie man auf seinem Tondo „Der faule Drache“ von 2010 bei Kunsthandel Stock wunderbar erkennt. Da schaut man in eine Natur, die zwischen Kahlenbergblick und Weltenlandschaft liegen könnte. Darin lässt ein Mädchen ein kleines blaues Dinosauerierungetüm steigen, während ein Bub seinen dicken roten Drachen nicht von der Erde bekommt. Ist er vielleicht zu schwer? So wie Hodinas Schutzpatron aus Ottakringer Kindertagen, sein „Herrgott aus Sta’“?
 

 

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